Suna war etwas verwirrt von dem, was Yu da machte, und beobachtete ihn besorgt. Also ließ sie ihn sogar ihre Hand nehmen, was sie normalerweise auch nicht mochte. Als sie an dem Mann vorbei gingen, warf sie ihm noch einen finsteren Blick zu, und folgte Yu dann.

-> Heielrhaus

"Yu!", rief Suna besorgt aus und ignorierte den bösen Mann, bis dieser etwas von einem Heiler sagte. Meinte er etwa einen Arzt? Suna war hin und her gerissen zwischen ihrem Misstrauen gegenüber dem Mann und ihrem Wunsch, dass jemand Yu half. "Eine Stadtwache?", meinte sie irritiert. "Meinst du die Polizei?" Die wachten jedenfalls in Städten. "Aber die Polizei hilft nicht!", widersprach sie, denn sie kannte Polizisten nur von den Malen, wenn sie aus dem Heim ausgerissen war und sie sie gegen ihren Willen zurückgebracht hatten. "Geh lieber diesen Heiler holen!", entschied sie, denn dann konnte sie bei Yu bleiben und sie mussten nicht mit dem bösen Mann mitgehen. Ihr kam das wie die beste Lösung vor.

Suna verstand die Hälfte von dem, was der Mann redete, nicht, und das nervte sie, und dass er sie auslachte, machte es nicht besser. Außerdem weigerte er sich immer noch, zu gehen, und Suna drückte Yu noch etwas fester, damit er gar nicht auf die Idee kam, wieder zu verschwinden, und er ihr auch nicht weggenommen werden konnte. "Zauberstäbe gibt es nur in Märchen", teilte sie dem Mann trotzig mit, auch wenn er sie inzwischen ignorierte. "Und Yus Hemd ist ganz normal, mein Dad hat ganz viele davon." Der Mann musste wirklich dumm sein, so, wie er redete. Vermutlich war er deswegen so schwer zu verstehen. Trotzdem wollte sie, dass er ging. Normalerweise, wenn sie wütend wurde, passierten Dinge, und sie war gerade sehr wütend, wieso also jetzt nicht? Sie würde es einfach mal versuchen! Also fokussierte sie ihren Blick auf den Mann, ohne zu blinzeln, und wünschte sich ganz, ganz fest, dass sein Ärmel in Flammen aufging, damit er wegrannte, so, wie es bei ihrer Mutter passiert war. Doch nichts geschah, und Suna hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, auch wenn sie dafür eigentlich zu alt war. Außerdem durchbrachen die Worte des bösen Mannes ihre Konzentration, und sie sah besorgt zu Yu auf.

Suna war nicht begeistert, als Yu sie hinter sich zog, und lugte mit dem Kopf an seiner Seite hervor. "Bist du doof?", fragte sie ungeduldig. "Hier ist keine Höhle! Du bist durch ein Portal gegangen! So wie ich auch, und Yu auch!" Sie warf ihm einen grimmigen Blick zu. "Ich will meine allerbeste Freundin auf der Welt auch hier haben, aber ich tu anderen deswegen nicht weh!" Sie schlang ihre Arme von hinten um Yu und funkelte den bösen Mann wütend an. "Und jetzt geh weg!"

"Ich muss nicht beschützt werden!", beharrte Suna stur auf ihrer Meinung. Sie konnte schließlich gut auf sich selbst aufpassen! Als der Mann auf sie zukam, funkelte sie ihn wütend an und fragte sich, wieso sie ihn eigentlich nicht einfach in Brand setzen konnte, so wie es ihr aus Versehen bei ihrer Mutter passiert war. Aber seit sie hier war, war überhaupt nichts Komisches mehr um sie herum passiert... Vielleicht war sie ja plötzlich wieder normal geworden? "Ich bin kein Gnom!" , fauchte sie den Mann wütend an. Als er auf Yu zuging, stellte sie sich trotzig vor ihn und funkelte ihn wütend an. "Geh weg!"

Suna war doch ziemlich erleichtert, als Yu sie endlich runterließ. Sie mochte es nicht wirklich, getragen zu werden. Bei seiner Frage sah sie ihn empört an. "Weil er dich angegriffen hat!" Was hätte sie denn sonst tun sollen? Seine nächsten Worte verwirrten sie jedoch nur. "Aber ich vertraue dir doch!", beharrte sie mit großen Augen. "Aber du hast mich einfach zurückgelassen, obwohl ich doch helfen kann!" Sie verstand nicht, was sie jetzt schon wieder falsch gemacht haben sollte, und verschränkte in einer Abwehrreaktion trotzig die Arme vor der Brust, auch wenn sie tief in sich drinnen Angst hatte, dass auch Yu sie jetzt weggeben würde. Dann hörte sie jedoch jemanden rufen, und ihr Gesichtsausdruck wurde grimmig. "Da ist einer von den bösen Männern!", rief sie und deutete auf den Schwarzhaarigen, der gerade an der Gasse, in der sie sich befanden, vorbeilief.

Suna stieß einen empörten Schrei aus, als Yu sie hochhob und einfach vom Schauplatz wegschleppte. Sie konnten die beiden bösen Männer doch nicht einfach weitermachen lassen! Entsprechend strampelte sie etwas, kam gegen Yu aber nicht an.

-> Straßen der Portalstadt

Suna war etwas außer Atem, als sie Yu endlich eingeholt hatte. Sie merkte, wie der fremde Mann, der durch die Tür gekommen war, ausholte und kurz davor war, ihn zu treffen. Sie schrie auf und rannte los, den Kopf wie ein Stier beim Angriff vorgebeugt, mit dem festen Ziel, gegen seine Beine zu rennen. Sie wusste aus Erfahrung, dass Erwachsene mit so etwas nicht rechneten und damit leicht zum Umfallen gebracht werden konnten.

Suna erstarrte kurz, als Yu sie einfach hochhob, wehrte sich aber nicht dagegen. Die Erzieher aus dem Heim hatten sie nie auch nur anfassen dürfen, aber Yu war etwas anderes. Als er sie jedoch absetzte, warf sie nur einen bösen Blick zu der Kellnerin, die es ja nicht wagen sollte, ihr näherzukommen, und folgte Yu dann einfach, wenn auch etwas langsamer, da er mit seinen langen Beinen viel schneller war und die Leute ihm auswichen, während sie ihr den Weg versperrten und sie zwischen den Beinen hindurchhuschen musste. Als ob sie sich verstecken würde, das klang total langweilig! Und außerdem wollte sie bei Yu bleiben! Und er wusste ja nicht, was sie konnte, vielleicht brauchte er ihre Hilfe!

Endlich kam das Essen und Suna machte sich hungrig darüber her. Als plötzlich ein lautes Gepolter ertönte, sah sie auf und beobachtete mit staunendem Blick, wie ein sehr komisch aussehender Mann aus einer Tür gestürzt kam und einfach einen anderen Mann angriff. "Du, Yu", meinte sie und zupfte ihn am Ärmel, weil er gerade gar nichts mitzubekommen schien. "Wieso kämpfen die da? Mich schimpft Mom immer, dass ich mich nicht mit anderen hauen darf!" Gegen dem Ende ihres Satzes bekam ihre Stimme einen trotzigen Beiklang, sie fand das nämlich unfair. Sie bekam Ärger, wenn sie jemanden boxte, und die da gingen mit Messern oder was das war aufeinander los, und das sollte dann okay sein?

Suna runzelte die Stirn. "Zwei Städte sind doch ganz schön viel", meinte sie und haute ungeduldig mit dem Fuß gegen das Tischbein. Sie hatte Hunger und wollte Kutsche fahren, wo blieb also das Essen? "Zuhause gab es nur eine." Zumindest hatte sie nur eine gekannt, nämlich die, wo das Heim gewesen war - wobei Suna nicht wusste, dass das eher ein Städtchen als eine Stadt gewesen war. Ansonsten kannte sie nur noch das Dorf, in dem sie aufgewachsen war, und das andere Dorf am Meer, in dem sie immer Urlaub gemacht hatten. Als die Kellnerin auftauchte und Yu nichts sagte, ergriff sie einfach das Wort. "Das selbe wie immer", bestellte sie, so wie sie es von ihrem Vater kannte, wenn sie in dessen Lieblingsrestaurant gingen. Und das Essen gestern war ja auch gut gewesen, also hatte sie nichts dagegen, wenn sie das wieder bekam.

Suna nickte wild, mit ihrem üblichen ernsten Gesichtsausdruck, aber leuchtenden Augen, und rannte schon beinahe an ihm vorbei und zur Tür hinaus. Sie stürmte die Treppe hinunter und in den Schankraum, wo sie gleich den Tisch ansteuerte, an dem sie gestern schon gesessen hatten. Sie kletterte auf die Bank und baumelte wild mit den Beinen, während sie ungeduldig darauf wartete, dass Yu hinterher kam.

An Essen hatte Suna tatsächlich noch gar nicht gedacht. Wie aufs Stichwort grummelte ihr Magen laut und vernehmlich. "Ja... Vielleicht...", stimmte sie also etwas zögerlich zu und sah mit finsterem Blick auf ihren Bauch, bevor sie wieder zu Yu blickte. "Aber ganz schnell, sonst verpassen wir noch die Kutsche!" Hibbelig stand sie neben ihm und wartete darauf, dass er sich endlich bewegte.

Suna wachte sehr früh am nächsten Morgen auf. Nicht nur, weil alles neu und ungewohnt war, sondern auch, weil sie es sich im Kinderheim angewöhnt hatte, immer vor den anderen wach zu sein. Flink sprang sie aus dem Bett und tapste mit zerzausten Haaren und nackten Füßen - denn man schlief schließlich nicht mit Socken! - zur Tür hinaus und in Yus Zimmer, natürlich, ohne anzuklopfen. "Yu? Bist du wach?", flüsterte sie und blieb neben seinem Bett stehen. Er hatte seine Maske nicht auf, was ein wirklich ungewohnter Anblick war. "Yu? Yu!" Sie flüsterte immer noch, aber jetzt etwas energischer, und rüttelte ihn sanft an der Schulter. "Wir müssen los!" Das wusste sie zwar eigentlich nicht sicher, aber irgendwann mussten sie ja aufbrechen, also wieso nicht gleich jetzt? Außerdem wollte sie endlich mit einer Kutsche fahren!

"Einem Wagen...?", fragte Suna nach und war kurz verwirrt. Dann leuchteten ihre Augen wieder auf. "Du meinst, mit einer Kutsche? Wie in diesen Filmen?" Jetzt war sie noch begeisterter als ohnehin schon, und sie zeigte sogar eines ihrer seltenen Lächeln. Bei seiner Aufforderung seufzte sie. "Na gut, wenn es unbedingt sein muss." Langsam trottete sie die Treppe wieder nach oben, wobei das für ihre Verhältnisse außerordentlich folgsam war. Als sie schließlich in ihrem Bett lag, hielt sie die Augen jedoch weit offen und kämpfte mit aller Macht gegen den Schlaf an, bis sie Yus Schritte auf dem Flur hörte. Erst danach ließ sie zu, dass der Schlaf sie übermannte.

Suna sah neugierig dem komischen Mann hinterher, der gerade wegging. So ganz war er ihr nicht geheuer, aber wirklich Angst machte er ihr auch nicht. Als Yu sie ansprach, wandte sie sich ihm wieder zu und nickte. "Jaja, oben war es nur so langweilig", erklärte sie. "Also heißt das, wir werden morgen reiten? Auf echten Pferden?" Denn das war es, was sie bei der Aussage der Frau rausgehört hatte. Ihre Augen leuchteten bei ihrer Frage begeistert auf.

Suna überlegte es sich tatsächlich kurz, auf ihrem Zimmer zu bleiben und sich auszuruhen, wie Yu es gesagt hatte. Vor allem, weil er es ihr nicht befohlen und sie nicht ermahnt hatte. Aber sie war noch zu aufgedreht zum Schlafen, außerdem interessierten Informationen über diese Welt sie ja auch! Sie musste schließlich wissen, wie sie ihre allerbeste Freundin herholen konnte! Also sprang sie auf die Füße und lief nach unten. Am Treppenabsatz wurde sie etwas langsamer und blieb dann dicht hinter Yu stehen, sodass er sie nicht sofort bemerken würde und sie vor der Frau, mit der er gerade sprach, halbwegs versteckt war, aber alles hören konnte. Neugierig lauschte sie, wie sie über Pferde und Tabak redeten.

Suna zuckte nur mit den Schultern. "Komische Sachen passieren eben", meinte sie und dachte automatisch daran zurück, wie sie das Kleid ihrer Mutter in Brand gesetzt hatte. Sie hatte das nicht gewollt, aber irgendwoher war ihr trotzdem klar gewesen, dass sie das Feuer gerufen hatte. Bei der Erinnerung daran zog sie die Beine an, schlang ihre Arme darum und machte sich ganz klein. Es hatte ihr eine riesige Angst gemacht, und danach hatte ihre Familie sie nicht mehr haben wollen. Wenn sie Feuer kontrollieren konnte, ohne zu wissen wie, und ohne es zu wollen, dann konnte eine Maske auch Yu kontrollieren. Sie verstand deswegen aber erst recht nicht, warum er die Maske behielt. Sie würde diese seltsamen Fähigkeiten, die sie offenbar hatte und die allen in ihrer Umgebung Angst machten, sofort loswerden, wenn sie könnte.

Suna nickte nur und sah Yu mit einem erwartungsvollen Lächeln entgegen, als er in den Raum kam. Mit großen Augen hörte sie seiner Erklärung zu. "Und warum behältst du diese Maske dann?", fragte sie verwirrt und sah die Maske in seiner Hand an, als wäre sie ein besonders ekliger, schleimiger und stinkender Gegenstand. "Ich würde sie ganz weit wegschmeißen!" Sie hasste es ja schon, wenn ihr die ganzen Erwachsenen ständig sagten, was sie zu tun hatte. Aber da konnte sie immer Nein sagen oder weglaufen oder wütend werden. Deswegen fand sie diese Maske besonders schrecklich. "Oder vergraben. Oder verbrennen", überlegte sie dann weiter.

Suna stürmte in die Zimmer, sobald die Frau die Schlüssel abgegeben hatte. Sie sah sich gründlich in beiden um, bis sie sich entschied. "Ich nehme das hier", erklärte sie im zweiten Zimmer, denn es lag an der Gebäudeecke und hatte damit Fenster zu zwei Seiten. "Also, was ist jetzt mit diesem Riss?", hakte sie dann nach, denn so leicht ließ sie sich nicht abschütteln. Sie ließ sich auf das Bett plumpsen und sah Yu fragend an.