Lysil runzelte leicht die Stirn. Hoffentlich hatten die Stadtwachen den Mann stoppen können, bevor er noch mehr Leute verletzte... "So viel du geben kannst und möchtest", lautete ihre Antwort, und sie lächelte ihn sanft an. Sie verlangte nie einen festen Preis, und wer nicht zahlen konnte, den behandelte sie umsonst. Sie war bei den Sanaria Luximpure, um Menschen zu helfen und nicht, um sie auszunehmen.

Lysil musterte den Mann mit einem Schmunzeln. "Ich nehme einmal an, du willst mir nicht erzählen, wie genau die scharfe Klinge in deinen Arm kam?", fragte sie amüsiert nach. Sie schob den zerschnittenen Ärmel zur Seite und legte dann ihre Hand auf die Wunde. Da sie nicht allzu tief war, würde hier ihre Berührung ausreichen, es brauchte keinen Gesang. Sie konzentrierte sich, und seufzte leise auf, als der Schmerz durch sie hindurch zog und dann verschwand, während sich seine Wunde langsam schloss. "So, das hätten wir", meinte sie und stand auf, um sich die Hände in der Wasserschale zu waschen, die auf einem kleinen Tisch stand. Sein Gerede ignorierte sie dabei.

"Ist es, du bist hier ganz richtig", stimmte Lysil mit einem Lächeln zu. Sie führte den Fremden in einen der Behandlungsräume und deutete auf die Liege dort, um sich, sobald er saß, einen Stuhl heranzuziehen. "Was ist da passiert?", fragte sie nach, während sie seinen Arm genauer in Augenschein nahm.

Lysil war gerade dabei, den Speck anzubraten, als es an der Tür klopfte. Schnell stellte sie die Pfanne beiseite und eilte zum Eingang, um zu öffnen. "Hallo", begrüßte sie den Besucher etwas geistesabwesend, denn ihr Blick war gleich auf die Wunde gefallen. "Komm herein, darum kümmern wir uns besser sofort", verkündete sie und öffnete die Tür ganz, um ins Innere zu deuten. Mit einer Vorstellung hielt sie sich nicht auf, nicht, solange ihr Gegenüber weiter Blut verlor.

Lysil sah ihm hinterher und ließ sich dann, kaum, dass sich die Tür hinter ihm schloss, mit einem Seufzen auf einen Stuhl sinken. Sie barg ihren Kopf in ihren Händen, während die Tränen leise über ihre Wangen rollten, um sicherzugehen, dass Leo nichts davon mitbekam. Es tat unglaublich weh, ihn so nahe bei sich zu haben und nicht von ihm erkannt zu werden. Mehr als sonst, denn nach einer Wiedergeburt konnte sie sich zumindest darauf einstellen, aber das... Er hatte sie ja schon kennen gelernt, doch für ihn war sie tot. Schließlich beruhigte sie sich wieder etwas und legte sich ebenfalls zum Schlafen hin, allerdings nur für wenige Stunden. Sie wollte auf jeden Fall vor ihm wach sein. Und so stand sie nach zwei Stunden wieder auf und machte sich daran, etwas zu Essen vorzubereiten.

Lysil öffnete die Tür zum Heilerhaus und bedeutete Leo, ihr zu folgen. Sie ging zu den Gästezimmern, von denen die meisten im Moment frei waren. "Du kannst so lange hier bleiben, wie du willst", meinte sie lächelnd zu ihm. "Ruh dich am besten erst einmal aus, wir können später reden, und dann erkläre ich dir alles." Alles über Kaylenda. Das, was sie ihm eigentlich erklären wollte, konnte sie ihm nicht sagen.

Lysil betrachtete ihn nachdenklich. So menschenfeindlich war er früher nicht gewesen... In Ansätzen, aber nicht so. "Wir können ins Heilerhaus"; meinte sie schließlich. "Dort dürfte zur Zeit kaum jemand sein." Sie drehte sich um und ging voran, wobei sie darauf achtete, dass Leo ihr folgte.

-> Heilerhaus, Portalstadt

Lysil betrachtete ihn nachdenklich. So menschenfeindlich war er früher nicht gewesen... In Ansätzen, aber nicht so. "Wir können ins Heilerhaus"; meinte sie schließlich. "Dort dürfte zur Zeit kaum jemand sein." Sie drehte sich um und ging voran, wobei sie darauf achtete, dass Leo ihr folgte.

-> Heilerhaus, Portalstadt

Lysil folgte ihm weiter. "Dieser Weg führt in den Wald, nicht in die Stadt", bemerkte sie ruhig, während sie so aufholte, dass sie neben ihm hergehen konnte. "Und der Wald ist gefährlich. Hier leben die Verbannten, und du bist gerade wohl eher nicht in der Verfassung, dich gegen sie zur Wehr zu setzen." Sie selbst konnte sich durch ihre Gestaltwandler-Fähigkeiten in Sicherheit bringen, weswegen sie nicht wirklich Angst verspürte - nicht um sich selbst. Um Leo dafür umso mehr, doch wusste sie, dass sie ihm diese nicht zeigen sollte.

Kurz wurde eine tiefe Traurigkeit in Lysils Augen erkennbar, und ihr Lächeln verblasste. Doch gleich darauf tauchte es wieder auf. "Gerade weil du so geschwächt bist, kann ich das nicht", erklärte sie ihm, auch wenn es nur die halbe Wahrheit war. "Ich helfe Menschen, also werde ich dich nicht alleine lassen." Sie trat beiseite, damit er die Leiter nehmen konnte, und folgte ihm dann einfach.

Lysil lächelte amüsiert. "Ich habe dir doch gesagt, dass es funktioniert", erinnerte sie ihn schmunzelnd. Als sein Blick so auf ihr ruhte, wurde sie schon beinahe nervös. Aber natürlich sah er in ihr immer noch eine Fremde, wie seine nächsten Worte bewiesen, und wider jede Vernunft versetzte es ihr einen Stich. "In Kaylenda", erklärte sie ihm bereitwillig. "In diese Welt führen verschiedene Portale aus anderen Welten, und immer wieder verschlägt es fremde Wesen hierher. Ein Zurück gibt es aber nicht." Sie stand auf, wobei sie leicht schwankte. Doch sie fing sich wieder. "Komm mit mir, ich kann dir ein Gasthaus zeigen, wo du dich ausruhen kannst, und morgen können wir dann in die Hauptstadt aufbrechen", schlug sie ihm vor. Ihr Blick ruhte warm und freundlich auf ihm, und in ihm lag die Bitte, ihr zu vertrauen. Er musste sie nicht lieben, das konnte sie nicht erwarten, nicht jetzt schon. Aber wenn er ihr vertraute... Es würde ihr die Hoffnung geben, die sie gerade brauchte.

Lysil hatte es einige Mühe gekostet, die ganze Zeit über wachzubleiben. In ihren Knochen schien immer noch der Schmerz zu stecken, und sie war so müde... Aber sie hielt sich damit wach, Leo in aller Ausführlichkeit zu betrachten. Sie hatte ihn zuletzt gesehen, als er vierzehn gewesen war, und jetzt konnte sie sich nicht an ihm sattsehen. Als er schließlich wieder zu sich kam, musste sie lächeln. "So übel ist es hier nicht", versicherte sie ihm. "Und hier ist die Wahrscheinlichkeit auch wesentlich geringer, dass du angeschossen wirst. Es gibt nämlich nur Bögen und Armbrüste." Sie würde zu gerne wissen, wie das überhaupt geschehen war, wagte aber nicht, zu fragen. Leo schien sehr misstrauisch zu sein, da sollte sie nicht zu aufdringlich werden.

Lysil seufzte leise. Offenbar war Leo mit den Jahren nur sturer geworden. Doch zu einer Antwort kam sie nicht mehr, da sackte er schon über ihr zusammen. Ihr Atem ging merklich schneller. Seine plötzliche Nähe warf sie aus der Bahn, und für einen Moment war sie wie erstarrt, ehe sie ihn vorsichtig von sich schob. So konnte sie immerhin mit ihrer Arbeit fortfahren. Als sie wieder mit ihrem Gesang begann, setzten auch die Schmerzen wieder ein, doch inzwischen war sie geübt darin, sich von diesen nicht beeinträchtigen zu lassen. Schließlich hatte sie sowohl die Kugeln als auch sämtliche Stoffasern entfernt und machte sich nun daran, die Wunde zu schließen. Inzwischen stand ein leichter Schweißfilm auf ihrer Stirn, und als sie fertig war, sackte sie erschöpft gegen den Baumstamm, an dem die Plattform befestigt war. Den Blutverlust von Leo konnte sie nicht ausgleichen, weswegen sie davon ausging, dass er noch eine Weile schlafen würde, ehe er erwachte. Am liebsten hätte sie es ihm gleich getan, doch konnte sie ihn jetzt, wo sie ihn wieder hatte, nicht einfach so aus den Augen lassen.

Lysil spürte, dass sie die Kugel schon beinahe greifen konnte, als sie unterbrochen wurde. Sie gab einen überraschten Laut von sich, und fand sich im nächsten Moment unter Leo wieder. Ihr Herz raste ihr bis zum Hals, und geschockt sah sie ihn an, wobei es mehr sein Blick als seine Tat war, was sie so aus der Fassung brachte. "Ich verarsche dich nicht", versicherte sie ihm. "Bitte, lass es mich einfach versuchen. Gib mir noch ein paar Minuten, dann wirst du selbst sehen, wie es funktioniert. Diese Welt ist anders als die, aus der du kommst." Sie lächelte ihn an. "Hier kann Gesang tatsächlich heilsam sein."

Lysil lächelte ihn mit funkelnden Augen an. "Das sagt man mir nicht zum ersten Mal." Leo war nie begeistert gewesen, wenn sie ihn in den verschiedenen Leben aufgesucht hatte, und oft genug hatte er sie in ihrer Hartnäckigkeit als seltsam bezeichnet. Aber sie hatte ihn noch immer von sich überzeugen können. Es war seltsam für sie, Leo so nahe zu sein. So nah und doch so fern... So war es zwar immer, aber diesmal noch einmal mehr, weil er, im Gegensatz zu ihr, nicht wiedergeboren worden war. Sie war ihm niemals in unterschiedlichen Gestalten begegnet, immer hatten sie neu angefangen. Aber vielleicht lag darin ja ihre Chance... "Die Kugel steckt noch in dir", stellte sie fest. "Ich werde sie also herausholen müssen, und das wird schmerzhaft werden. Es tut mir leid." Und genauso die verschiedenen Stoffasern seines Hemdes, die durch die Kugel in die Wunde gerissen worden waren. Vorher konnte sie sie nicht verschließen. Sie legte ihre Hände vorsichtig auf die Verletzung und fing an, mit leiser, aber wunderschöner Stimme zu singen, und alles, was sich in der Wunde befand, so herauszulocken. Sie konnte spüren, wie sich die Kugel bewegte, und erschauerte von den Schmerzen, die das verursachte.

Lysil musterte Leo für einen Moment. Er wurde mit jeder Wiedergeburt verschlossener und kühler, das war ihr schon aufgefallen. Aber normalerweise ließ sie ihn nie alleine und schaffte es immer, ihm wieder Freude am Leben zu verschaffen. Doch diesmal war sie gestorben, und er hatte ohne sie weitergemacht. Das war dann wohl das Ergebnis, und es zog ihr schmerzhaft das Herz zusammen. "Oh, du würdest dich wundern", erwiderte sie mit einem schiefen Lächeln und beugte sich über ihn. Was geschehen war, war nicht schwer zu erkennen. "Ich werde dein Hemd entfernen müssen, um zu sehen, ob die Kugel ausgetreten ist oder noch in dir steckt", erklärte sie ihm mit sanfter Stimme und begann, es vorsichtig von seinem Bauch zu lösen, denn der Stoff hatte sich durch das ganze Blut an die Wunde geklebt.

Der Blick, den Leo ihr zuwarf, schnitt Lysil ins Herz. Wenn er nur wüsste, wer sie war... Er würde sie niemals so ansehen. Als er in ihrer Reichweite war, streckte sie die Hand aus, um ihm auf die Plattform zu helfen. "Hey, ich bin Lysil", stellte sie sich vor, weiterhin mit diesem Lächeln, das ihr dadurch erleichtert wurde, dass es Leo war, den sie anlächelte. Sie musterte ihn genau, ließ ihren Blick fachmännisch über ihn wandern. "Wo bist du verletzt?", fuhr sie gleich mit dem Wichtigen fort.

Lysil flatterte in ihrer Vogelgestalt gerade die Portale ab, um zu überprüfen, ob Neuankömmlinge hier waren, die Hilfe benötigten. Und tatsächlich, beim Westportal schien jemand ins Netz gefallen zu sein. Sie flog näher heran und setzte sich auf einen Ast über dem Netz, um den Neuen genauer in Augenschein nehmen zu können. Und für einen Moment schien ihr kleines Vogelherz stehen zu bleiben. Leo... Das war Leo! In seiner letzten Gestalt. Offensichtlich verletzt und blutend. Für einen Moment war sie wie erstarrt, dann flog sie ein paar Meter weg, wo er sie nicht sah, verwandelte sich zurück und rannte los. Sie kletterte in Windeseile auf die Plattform neben dem Netz. "Hey! Du da!", rief sie, denn er durfte nicht wissen, dass sie seinen Namen kannte. "Schaffst du es, zu mir zu kommen? Ich kann dir helfen!" Sie schenkte ihm ihr wärmstes, aufmunterndstes Lächeln, auch wenn ihre Augen weiter sorgenvoll blickten. Natürlich könnte sie ihn auch im Netz selbst helfen, aber es würde es doch deutlich erschweren.