Sie schien etwas gegen meine Brust zu nuscheln, allerdings verstand ich nichts von dem, was sie sagte. Ich kam nicht einmal dazu, danach zu fragen, denn da hatte sich Lu ruckartig von mir gelöst und für einen Moment traf sich unsere überraschten Blicke, ehe Lu davon flog. Ich konnte ihr nur noch stumm hinterher sehen. Das Bild, wie Lu das Gesicht verzog, hatte sich in meine Netzhaut eingebrannt und wollte nicht verschwinden. Ein ungewöhnlich verletzt wirkender Ausdruck schlich sich in meine Augen, als ich mich fragte, ob und was ich denn falsch gemacht haben könnte. Langsam setzte ich mich in Bewegung, meinen Gedanken nachhängend und wie immer ohne jegliches Ziel.
Dass sie wohl ihre Flügel irgendwie klein zu machen, merkte ich natürlich. Ich war mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich das als stumme Aufforderung verstehen durfte oder nicht. Nach einem weiteren kurzen Zögern, legte ich schließlich sanft meine Arme um sie. Ich achtete darauf, ihr nicht irgendwie weh zu tun, drückte sie aber dennoch leicht an mich. Doch könnte sie sich mit Leichtigkeit lösen, wenn sie das wollte.
Es erleichterte mich irgendwie ungemein, dass bei Lu alles in Ordnung war. Ich hatte mir schon fast ernsthafte Sorgen gemacht. "Dann bin i-", hatte ich gerade meinen Satz angefangen, dass ich froh war, wenn bei ihr alles gut war, aber blieben mir die restlichen Worte geradezu im Halse stecken, als Lu mich plötzlich umarmte. Vor Überraschung weiteten sich meine Augen leicht, aber ich empfand es keineswegs als unangenehm. Ich hatte nur leichte Schwierigkeiten, die Umarmung zu erwidern, weil irgendwie die Flügel im Weg schienen.
"Es hat irgendwie so ausgesehen, als hätte ich dich mit meiner Frage überfordert oder so ähnlich", versuchte ich irgendwie zu erklären, aber anscheinend hatte ich da doch irgendetwas falsch verstanden. Eine nie dagewesene Verlegenheit zeigte sich in meinem sonst so ausdruckslosen Gesicht. Den Kopf leicht schief gelegt betrachtete ich Lu und nahm schließlich meine Hand von meinem Hinterkopf, welche bis eben noch dort gelegen hatte. Sanft tätschelte ich Lu den Kopf. "Falls ich dich mit meiner Frage, irgendwie in Verlegenheit gebracht haben sollte oder dergleichen, dann tut es mir leid. Das ist nicht meine Absicht gewesen", wollte ich Lu dann wieder etwas beruhigen und schenkte ihr ein kleines Lächeln.
Irgendwie rief der Blick, mit dem Lu mich bedachte, ein schlechtes Gewissen hervor. Ich wusste nicht genau, wie ich diesen deuten sollte. Etwas verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. "Entschuldige, das war eine unangebrachte Frage. Vergiss es einfach wieder", meinte ich daraufhin abwinkend. Ich konnte ja selbst nicht einmal sagen, woher diese Worte von mir gekommen waren. Zumal es mich noch nie wirklich interessiert hatte, ob jemand wollte, dass ich blieb oder ging. Ich tat einfach immer das, wozu es mir gerade im Sinn stand.
Ich antwortete Lu nicht sofort. Stattdessen schwieg ich lieber, als ob ich darüber nachdenken müsste. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", meinte ich schließlich. "Ich meinte zwar gerade, dass ich niemand Sesshaftes sei, aber irgendwie überlege ich zum ersten Mal in meinem Leben, hier vielleicht etwas länger zu bleiben." Woran das lag, konnte ich jedoch absolut nicht sagen. Woher meine nächsten Worte kamen, wusste ich ebenso wenig. Sie kamen mir über die Lippen, ehe ich richtig darüber nachdenken konnte. "Wäre es dir denn lieber, wenn ich bleiben würde?"
"Ja", kam von mir die äußerst knappe und nüchterne Antwort, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. "Genau das ist es doch. Ich habe kein Ziel. Ich mag es, herumzureisen und neue Orte zu entdecken. Wenn mir einer gefällt, bleibe ich eine Weile, ehe ich weiterziehe. Ich niemand Sesshaftes", erklärte ich Lucilia das, was ich gerne als meine Lebensphilosophie bezeichnete. Und doch haderte ich zum ersten Mal in meinem Leben damit, ob ich mich nun weiter auf den Weg machen sollte oder noch in Casus blieb. Noch nie war ich so lange an einem Ort geblieben.
Natürlich, das war ja doch offensichtlich gewesen, dachte ich mir, allerdings war es nicht wirklich gewohnt, dass es Wesen gab, die so fliegen konnten, wie Lucilia. Viele von der Sorte hatte ich noch nicht getroffen. Damit war meine Frage dann auch schließlich beantwortet. "Ich laufe nur etwas herum und warte ab, wohin es mich als Nächstes verschlägt", meinte ich schließlich, was so viel bedeutete wie, dass ich mich schlichtweg verlaufen hatte. Aber sowas wie Orientierung hatte ich eben noch nie besessen. Allerdings merkte ich nicht wirklich, dass meine Worte genauso gut bedeuten könnten, dass ich vorhaben könnte, die Stadt zu verlassen und weiter zu reisen.
Ich hörte nur eine mir wohl bekannte und inzwischen auch ziemlich vertraute Stimme, deren Klang alleine schon ein Gefühl von Freude in mir auslöste, was sich in Form eines leichten Lächelns zeigte. Zum Umdrehen kam ich nicht, denn da spürte ich schon Lucilias warme Wange an meiner und ihre Arme, die sich um meinen Hals legten. "Lucilia!" Obgleich sich meine Stimme wie üblich anhörte, so konnte man dennoch einen glücklichen Ton heraushören, wenn man die Ohren spitzte. Ich war nicht gut darin, Gefühle zu zeigen oder auszudrücken, aber ich nahm dennoch das schöne Gefühl wahr, wenn ich mit Lucilia zusammen war. "Wo kommst du denn her?", wollte ich wissen, wobei es eigentlich logisch war, dass sie vermutlich geflogen war.
Ich hatte absolut keine Ahnung, wo ich war. Seit ich mit Lucilla bei diesem Gipfel der Flügelwesen gewesen war, ist einige Zeit vergangen. Ich war immer noch in Casus, was sehr ungewöhnlich war, da es mich meist nie lange an einem Ort hielt. Aber hier schien es anders. Wobei ich keine Ahnung hatte, woran das lag. Tatsächlich hatte ich gerade sehr wenig Ahnung, auch weil ich nicht wusste, wo ich eigentlich hinwollte. Und selbst, wenn ich das wüsste, würde ich vermutlich nicht dort hin finden. Also lief ich ohne ein Ziel zu haben, was ich sowieso nie hatte, durch die Straßen und würde mal abwarten, wo ich hinkommen würde.
Selbst wenn ich nie wieder an diesen Ort kommen würde, so würde ich diese Erinnerung daran nie vergessen. Nicht nur diesen wunderschönen Ausblick. Sondern auch die Person, die mit dieser Erinnerung nun ganz fest verbunden war. Obwohl es eher so, dass ich dies mit dieser Person assoziierte und wenn ich sie nicht vergaß, würden auch diese erlebten Augenblicke nie verschwinden. Das wusste ich. Auch wenn ich zuvor noch nie so gefühlt hatte, verschmähte ich diese Gefühle nicht. Ganz im Gegenteil.
(Orion -> Der geht mal wieder irgendwo in Casus verloren)
"Gut", stimmte ich Lucilia zu und tat es ihr dabei gleich. Ich richtete meinen Blick noch einmal auf die weite, wunderschöne Landschaft, die sich vor mir erstreckte und weiter zum Horizont, welcher im Licht der untergehenden Sonne glühte. Ich wollte mir diesen Ausblick in mein Gedächtnis einbrennen, denn wer wusste schon, wann ich wieder die Chance haben würde, diesen erneut sehen zu können. Lus Worte ließ ich einen Augenblick lang auf mich wirken, ehe sich ein sanftes Lächeln auf meinen Lippen zeigte. Es freute mich ungemein, dass sie sowas sagte und ich wusste es sehr zu schätzen.
Mit neugierig interessiertem Blick musterte ich Lu und wusste erst nicht so recht, was ich mit ihrer Aussage anfangen sollte. Oder wie ich darauf reagieren sollte, weshalb ich ihr Lächeln mit einem etwas zögerlichen meinerseits erwiderte. Ihre Worte lösten aber eine Reihe von Glücksgefühlen in mir aus, die ich so zuvor noch nicht gespürt hatte. "Wenn du es so ausdrückst, dann hast du wohl Recht", stimmte ich ihr auf ihre nächsten Worte zu. So hatte ich es selbst noch nicht betrachtet.
"Finde ich aber schon. Man kann sich immer entscheiden, ob man liegen bleibt oder wieder aufsteht, wenn man hin fällt. Steht man auf, ist das ein Zeichen von Willenskraft und Stärke ", erklärte ich Lu. Das hatte ich bei ihr gesehen. Sie hätte auch eine andere Entscheidung getroffen, aber sie hat diese getroffen und sie auch durchgesetzt. Das hätte nicht jeder tun können. Zumindest war das meine Meinung. Als sie meinte, ich wäre ebenso bewundernswert, war ich gewissermaßen verwirrt. Ja, geradezu überrascht. Deswegen musste ich den Grund erfragen. "Und wieso das?" Das hatte mir noch nie jemand gesagt.
Ich hatte nicht direkt erwartet, dass Lu so ausholen würde, doch merkte ich, dass ihr dieses Thema nahe zu gehen schien. Also schenkte ich ihr meine vollste Aufmerksamkeit und ließ sie reden. Ich kannte die Geschichte nur oberflächlich und vieles nur aus Legenden, weswegen ich gleichermaßen neugierig war, was Lu erzählte. Sie dabei zu unterbrechen, kam mir nicht in den Sinn. Ich hatte das Gefühl, dass sie lange Zeit nicht darüber reden hatte können und vielleicht war es besser, wenn sie einmal alles loswerden konnte. Bei ihrer Frage konnte ich mir die Antwort denken und ich glaubte, Lu brauchte darauf auch keine Antwort von mir. Ihr trauriger Blick sprach Bände. Für ihre Entscheidung konnte ich ihr keinen Vorwurf machen. Ich war mir sicher, dass diese mehr als nur schwierig gewesen war. Ob sie richtig war oder nicht, konnte und wollte ich nicht beurteilen. Ich wusste nur, dass Lu in meinen Augen eine unglaublich starke Person war. Erst als Lu geendet hatte und ich ihre Worte - ihre Geschichte - einen Moment lang auf mich wirken habe lassen, erhob ich meine Stimme. "Tja, das kann ich dir nicht sagen. In der Zone der Verbannten allerdings nur wenig", meinte ich und richtete meinen Blick dabei in die Ferne. Dann löste ich diesen wieder vom Horizont, um Lu ansehen zu können. "Danke, dass du mir das erzählt hast. Du hast einiges durchgemacht, das habe ich nun gemerkt. Aber lass mir dir eines sagen: Du bist wirklich stark. Und das finde ich bewundernswert."
Als ich ihr Lächeln sah, musste ich automatisch selbst schon wieder leicht lächeln. Es stand Lu auch sehr viel besser, wenn sie lächelte. "Das ist die richtige Einstellung", meinte ich dann mit zustimmenden Nicken, als Lu meinte, der Umstand sei so oder so nicht mehr zu ändern. Auch wenn es schmerzhaft sein mochte, so musste man eben das Beste aus der Situation machen. Man musste in der Gegenwart leben, nicht in der Vergangenheit. Ihren Dank tat ich mit einer Handbewegung ab. "Ach was, ich hab doch gar nichts gemacht", sagte ich, denn etwas besonders tröstendes hatte ich nun wirklich nicht getan. "Nur teilweise", antwortete ich ihr auf ihre Frage. Ich hatte davon gehört, aber inwiefern diese wahr war, war eine ganz andere Frage. Interessiert blickte ich zu Lu, ob sie sie mir gleich erzählen würde.
Ich hatte mich neben Lu gesetzt und sah dann fragend zu ihr rüber, als sie so ein trauriges Gesicht machte. Da ich nicht wusste, was ich zu ihr sagen sollte, also legte ich einfach meine Hand auf ihren Kopf und tätschelte diesen etwas. Ich war nicht sonderlich gut darin, Leute zu trösten oder aufzumuntern und wahrscheinlich sagte ich am Ende sowieso nur etwas falsches. Es war wohl auch eine tiefsitzende Wunde Lus. Mit meiner Geste wollte ich ihr sagen, dass sie zumindest nicht alleine war.
Schon von weitem konnte ich den riesigen Baum sehen und obwohl ich schon einiges in Kaylenda gesehen hatte, hatte ich sowas noch nie gesehen. Dieser gigantische Baum hatte sowohl etwas sehr beeindruckendes als auch majestätisches, was es einem nahezu unmöglich machte, seinen Blick abzuwenden. Aus Lus Worten schloss ich, dass dieser Baum ihr früher viel bedeutet hatte und wohl immer noch einiges damit verband. Aus Rücksicht sprach ich das allerdings nicht weiter an. "Es ist atemberaubend", meinte ich mit fasziniertem Blick.
Ich hielt mich einfach weiterhin zurück. Dem Kerl ging's wieder besser und die Frau schien auch auf keinen Streit aus zu sein. So nickte ich den anderen beiden nur noch zum Abschied zu, als es dann mit Lu auch schon wieder weiter ging.
(Orion -> Weiterhin mit Lu mit, denn er hat sowieso keinen Orientierungssinn)
Der Kerl war ja wirklich gut gelaunt und vor allem so gesprächig. Na ja, sollte mir egal sein. Auf die Worte der Frau hin, zuckte ich mit den Schultern. "Ganz ehrlich, ist mir auch egal", meinte ich daraufhin nur, sonderlich viel Mitgefühl bekam dieser Kerl nicht. Und wenn ihn Lu geheilt hatte, dann dürfte es ihm sowieso schon wieder besser gehen. "Ach, alles gut", erwiderte ich, als sich Lu entschuldigte. Ich mochte diese hilfsbereite und mitfühlende Seite an Lu, weswegen ich auch nichts sagen würde, wenn sie jemanden half.
Legende: Admin,
Mitglieder,
Sanaria-Luximpure,
Lupus-Sanguine,
Kinder-einer-neuen-Welt,
Verbannte,
Casus civitatem Gesetze:,
1. Es darf nicht gemordet werden.,
2. Diebstahl ist unehrenhaft und verboten.,
3. Kinder, Jugendliche, Kranke oder Alte werden aufgenommen (Ausnahme sind Verbannte).,
4. Es wird jeder am Tor geprüft. Egal welchen Stand er oder sie besitzt.,
5. Kämpfe werden außerhalb der Stadt ausgefochten.